Mehr als Durchschnitt?

Als meine Eltern Anfang der 90er Jahre feststellten, dass ich auf dem Weg bin, standen sie vor der Aufgabe eine angemessene neue Wohnung zu finden. Hamburg wäre damals ihre erste Wahl gewesen, doch der Wohnungsmarkt hier ist seit jeher ein Kriegsgebiet, und jede Wohnungsbesichtigung eine Schlacht. Eine besondere Enttäuschung war es, die Wunschwohnung in der Straße mit dem schönen Namen „Durchschnitt“ nicht zu bekommen. guardians of the galaxy tape cassette tape awesome mixDoch was wäre die Zeit vor MP3-Dateien ohne Mixtapes, und so nahm mein Vater meiner Mutter eine wunderschöne Kassette mit dem Titel „Mehr als Durchschnitt“ auf, die meine Mutter auch 20 Jahre danach noch im Auto liegen hatte.

Das ist eine der Lieblingsgeschichten meiner Eltern. Sich die Eltern als junge Leute vorzustellen, die mit den gleichen oder ähnlichen Herausforderungen konfrontiert waren, wie man selbst jetzt, ist irgendwie lustig. Sind halt die Eltern. Deswegen liebe ich auch die Geschichten von „damals“.

Als ich über einen Titel für meinen Blog nachdachte (zum x-ten Mal), hatte ich erst so gar keine Idee. Worüber will ich eigentlich schreiben? Was will ich? Wo will ich hin? Was ist mein Anspruch an mich? Meine Arbeit? MEIN LEBEN?!
Ganz ehrlich: das ist beinahe in eine Existenzkrise ausgeartet.

Zu der Zeit war ich gerade in London und machte ein Praktikum, und mein Boss hatte Phasen, in denen er etwas unbeholfen versuchte, motivierende Reden für seine (meist unbezahlten) Mitarbeiter zu halten. Er predigte davon, immer das größte anzustreben, das beste zu wollen, und fragte nach unseren Lebenszielen. Wenn dann Leute sagten, „Ich will für Vice schreiben“, oder „Ich will ein Festival organisieren“, irritierte mich das zutiefst. Solche Karriereziele habe ich für mich nicht. Versteht mich nicht falsch: ich will arbeiten, und ich will tolle Arbeit machen, und einen Job haben, hinter dem ich voll und ganz stehen kann – aber davon mache ich mein Lebensglück nicht abhängig.

Auf der anderen Seite der Skala graut es mir allerdings davor, in meinem Leben nichts außergewöhnliches zu erleben. Ich will nicht nur Mittelmaß sein. Aber zu den Sternen will ich auch nicht.

Und dann fiel mir die Geschichte von meinen Eltern wieder ein. Mehr als Durchschnitt. Mein Ziel ist, mehr zu sein als Durchschnitt. Ich muss nicht Boss von irgendeinem Megaunternehmen sein, aber in dem Megaunternehmen arbeiten, wieso nicht. Wenn ich Texte schreibe, müssen sie keine literarischen Meisterwerke sein – aber mehr als Durchschnitt. Gleiches gilt eigentlich für alles was ich tue. Ich mache meine Sachen so gut, wie ich kann. Das sind keine Geniestreiche, aber im Idealfall immer noch besser als das, was der Durchschnitt der Menschen erreicht.

Mehr als Durchschnitt sollen auch die Inhalte meines Blog sein. Mehr als durchschnittlich gut, mehr als durchschnittlich schlecht, eigentlich egal: Hauptsache ist, dass sie irgendwie hervorstechen, weil sie mehr als Durchschnitt sind.

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