„Amerikanische Klassiker sind ja eigentlich nicht mein Fachgebiet.“

Bevor ich The Great Gatsby gelesen habe, wusste ich nichts über diesen Klassiker der amerikanischen Literatur. Ich wusste bloß, dass es ein Klassiker ist, und sich die Lektüre sicherlich lohnen würde. Besonders attraktiv wurde das Buch dann dadurch, dass es in den 20er Jahren spielt, und ich eine große Schwäche für die westliche Kunst und Kultur dieser Zeit habe. Dementsprechend wundert es nicht, dass die Geschichte um den großen Gatsby eine meiner Lieblingserzählungen ist.
“The loneliest moment in someone’s life is when they are watching their whole world fall apart, and all they can do is stare blankly.”
Zusammen mit Nick Carraway werden wir mitgenommen in den heißen New Yorker Sommer 1922, nach Long Island in das glitzernde Leben der Reichen und Schönen. Carraway will sein Glück an der boomenden Börse zu versuchen, und zieht nach Long Island in die Nähe seiner Cousine Daisy und ihrem Mann Tom Buchanan. Buchanan ist ehemaliger Football- und nun Polospieler aus einer reichen Familie. Er betrügt Daisy, und sie weiß davon. Bei einem Besuch dort lernt Nick eine Freundin Daisys, Jordan Baker kennen, eine selbstbewusste junge Frau, die ihm das erste mal von Gatsby erzählt. Einem mysteriösen, wohlhabenden Mann, der auf der anderen Seite der Bucht lebt und jedes Wochenende Partys für reiche New Yorker schmeißt – und zufällig Nicks Nachbar ist.
Als Nick eine Einladung erhält, geht auch er zu einer der legendären und dekadenten Gatsby-Partys und stellt fest, dass niemand dort den Gastgeber zu kennen scheint. Alles was er erfährt sind dunkle Gerüchte und Legenden. Doch der große Gatsby nimmt selbst Kontakt zu Nick auf – denn Nicks Cousine ist dessen große aber verlorene Liebe, die er zurückgewinnen möchte; koste es, was es wolle.

Was hierauf folgt, ist keine seichte, heitere Liebesgeschichte. Die Figuren befinden sich auf dem Dach der Welt, und je weiter oben man ist, desto tiefer ist der Fall. Fitzgerald zeigt, dass das augenscheinlich sorgenfreie Leben der 1920er und fahrlässiges, unbedachtes Handeln nichts mit sich bringt als Unglück. Die Intensität mit der Gatsbys Welt zu Beginn des Romans glänzt lässt das Leid am Ende bloß noch dunkler erscheinen. Deutlich bleibt dabei, dass alle Probleme und Sorgen der Charaktere selbst gemacht sind. Niemand ist hier der Willkür des Schicksals ausgesetzt, sondern alle können für die Folgen ihres Handelns voll und ganz verantwortlich gemacht werden. Durch den sozialen Status werden Gesetz und Moral ganz einfach aus ihrem Sichtfeld verdrängt – Geld scheint alles kaufen zu können, außer eben Glück.
Ich habe Gatsby zu Beginn meines Studiums auf Englisch gelesen, und obwohl es damals keine einfache Lektüre für mich war, hat es sich gelohnt. Fitzgerald ist einer der besten Autoren, die jemals gelebt haben, und seine Worte in der Originalsprache zu lesen ist wunderbar. Er schafft es, einen mitzunehmen nach New York 1922, und gleichzeitig die Distanz zu den Figuren zu bewahren. Immer, wenn man verführt wird, mit einem Charakter zu sympathisieren, dann wird man aus dieser Position schnell wieder rausgeholt. Als Leser soll ich mich nicht identifizieren – ich soll urteilen können. Und was soll ich sagen: ich liebe es. Selten nimmt mich ein Buch beim Lesen so sehr ein, wie es Gatsby getan hat. Ich bekomme direkt Lust, es wieder zu lesen.
Ein wunderbares Buch für alle die:
ab und ab gerne einen Klassiker lesen; ein Faible für die 20er haben; ein Faible für menschliche Abgründe haben; Bücher mit denkwürdigen Zitaten lieben; das Buch zum Film lesen wollen; finden, dass F. Scott Fitzgerald der coolste Name ever. EVER ist.
“I was within and without. Simultaneously enchanted and repelled by the inexhaustible variety of life.”
Zuletzt möchte ich tatsächlich (und ich hätte es bis vor ein paar Tagen nicht gedacht) die neuste Verfilmung dieses Klassikers empfehlen. Nicht wegen des Soundtracks, nicht wegen der Bilder, sondern wegen Leonardo di Caprio. Seine Darstellung des großen Gatsby macht die Person hinter der Legende greifbar und zeigt brillant die Tragweite der Tragik auf.