„Stay here and take care of the chickens“ – The Wave Pictures

Quelle: thewavepictures.com

Wieso kennen nicht viel viel mehr Menschen diese Band? Wieso spielen sie in Hamburg im Kleinen Donner und nicht in der Großen Freiheit? Ich bin nicht die Person, die sich ärgert, wenn Bands, die man mag, plötzlich total bekannt werden und nur noch Konzerte vor riesengroßem Publikum geben und vielleicht sogar im Radio laufen. Es gibt so viele Musiker, denen ich den Erfolg von Herzen gönne und gönnen würde. The Wave Pictures sind ein bisschen zu speziell um der nächste große Festival-Headliner zu werden, das läge auch denke ich nicht in ihrem Interesse. Aber ein bisschen mehr Fans, das wäre das allermindeste. Als 2013 ihr Doppelalbum City Forgiveness erschien und mich mein Vater auf diese wunderbare Band hinwies (ich glaube er war tatsächlich über den Rolling Stone auf The Wave Pictures gekommen), habe ich ein paar Tage nichts anderes mehr gehört.

Das Rezept für das Album schien eine Prise Roadtrip durch die USA, ein Hauch Vampire Weekend (und ein bisschen Tom Petty?), abgefahrene Texte und haarsträubende Gitarrensolos gewesen zu sein – und die Umsetzung überwältigend. Genau der Sound, der zu einem heißen Sommer passt, oder in einem kalten Winter die Erinnerung an den heißen Sommer zurückholt. Vor kurzen spielten The Wave Pictures, und wir mussten natürlich hin, immerhin waren wir ein Jahr zuvor zu spät dran gewesen und hatten keine Tickets mehr bekommen. Das neuste Album hatte ich mir zur Vorbereitung ungefähr 3-1/2-mal angehört, aber so wirklich vertraut war ich mit dem neuen Material nicht. So oder so, The Wave Pictures machen seit 1998 zusammen Musik, und ich kannte eh nur einen Bruchteil.

Foto von James Loveday, Quelle: thewavepictures.com

Ich stand nun also im Kleinen Donner, ziemlich unvorbereitet. (Ich hatte nichtmal ein Bild der Band gesehen bisher. Das ist irgendwie immer das letzte was mich interessiert, wie die Musiker aussehen.) Aber das machte einfach überhaupt nichts. Alles von The Wave Pictures ist, ich kann es nicht anders ausdrücken gerade, SO GEIL, dass jeder Song einen gleich beim ersten Hören abholt und nicht nur mitnimmt, sondern (wieder keine anderen Worte dafür) richtig rannimmt.

David Tattersalls wunderbarer Gesang lässt einen träumen, seine Solos an der Gitarre sind zum Niederknien. Franic Rozycki am Bass die solide Säule der Band. Und Johnny Helm am Schlagzeug hatte die Zeit seines Lebens. Das i-Tüpfelchen nun, was meiner Meinung nach The Wave Pictures zu einer der besten Bands macht, die man sich zur Zeit antun kann, sind die Texte.

Ich bin großer Freund vom Absurden. Alles was irgendwie merkwürdig ist, auf einladende Weise seltsam, gewinnt mein Herz sehr, sehr schnell. Was können wir also erwarten von einer Band, deren neustes Album „Great Big Flamingo Burning Moon“ heißt? Auf dem Album finden sich viele Stücke mit einfach wunderbaren Titeln:
I Could Hear The Telephone (3 Floors Above Me), Fake Fox Fur Pillowcase, oder We Fell Asleep In The Blue Tent.

Eines ihrer neusten Meisterwerke heißt Pea Green Coat und ist besonders nach meiner Zeit in London mein Lieblingssong der neuen Platte. Ähnlich dem Konzept das Sparks in Perfume nutzen, sticht hier die Dame des Begehrens dadurch hervor, dass sie nicht das macht, was alle machen. Bei Sparks ist das Parfüm was nicht benutzt wird, bei The Wave Pictures ist es das nicht vorhandene Schwarz.

„Everybody in the station wore black
And then there was you
In your pea green coat“

Und ich kann mir so gut vorstellen, wie in einer tristen Londoner U-Bahn Station so etwas eigentlich grässliches wie ein knallgrüner Mantel plötzlich das schönste sein kann, was man je gesehen hat. Menschen, die auffallen, anders sind, sind so erfrischend. Ich liebe den Song.

Was für mich die Texte von The Wave Pictures ausmacht, sind die kurzen Zeilen, die das Potenzial haben, plötzlich das Publikum im Konzert lachen zu lassen, weil sie so herausstechen und so unvorhergesehen sind. Zum Beispiel:

„Stay here and take care of the chickens“

„The sun came in like a pack of orange spaniels“

„The fire alarm went off again“

„You kept turning me inside out like a Rubik’s Cube until you set me straight“

Und das sind nur die paar Beispiele die ich gerade nach 10 Minuten kurzer Recherche gefunden habe. Ihre Texte sind voll davon. Ich finde das so charmant, und es macht so viel Spaß zuzuhören, immer und immerwieder. Denn beim ersten Hören bekommt man ja eh nicht alles gleich mit. Sowieso tendiere ich dazu, auf die Texte als allerletztes zu hören. Erstmal die Melodie, die Gitarre, das Schlagzeug, der Bass, und dann, WAS singen die eigentlich? Bei The Wave Pictures lohnt es sich hinzuhören. Und das werde ich jetzt nochmal erst recht tun, damit ich beim nächsten Konzert richtig schön mitsingen kann:

„A sculpture is a sculpture
Marmalade is marmalade
And a sculpture of marmalade is a sculpture
But it isn’t marmalade
She said with you inside me,
Comes the knowledge of my death
But I still had some oranges left
Underneath the bed“

The Wave Pictures im Kleinen Donner, Hamburg 22.4.15
The Wave Pictures im Kleinen Donner, Hamburg 22.4.15
The Wave Pictures im Kleinen Donner, Hamburg 22.4.15
The Wave Pictures im Kleinen Donner, Hamburg 22.4.15
The Wave Pictures im Kleinen Donner, Hamburg 22.4.15
The Wave Pictures im Kleinen Donner, Hamburg 22.4.15