Der 25. September 2017

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Oder: Der Tag, an dem ich fast spontan in eine Partei eintrat.

Ich habe jetzt knapp einen Tag Zeit gehabt, um mir Gedanken über den Ausgang der gestrigen Bundestagswahl zu machen. Den brauchte ich auch, weil ich gestern Abend viel zu fertig war. Zum einen hielt ich die Wahlbezirksleitung eines sympathischen Bezirks im Kreis Altona in Hamburg inne und hatte deswegen seit morgens um halb 8 in der Mensa einer Schulkantine gesessen. Zum anderen musste ich mich gestern noch so sehr ärgern, obwohl mich das Ergebnis nicht überraschte, dass ich erstmal drüber schlafen musste, um Worte dafür zu finden. Viel schlauere und engagiertere Menschen waren da gestern viel flinker mit.

Nach den jüngsten Umfragen hatte ich mich gedanklich schon darauf eingestellt, dass die Partei-that-shall-not-be-named (weil ich zwar meine Meinung dazu sagen, aber eigentlich nicht deren Plattform nicht noch vergrößern möchte) drittstärkste Kraft im Bundestag wird. Aber wie beim Brexit und bei Trump hat mein Herz sich an dem letzten hoffnungsvollen Strohhalm festgehalten und gesagt: Vielleicht geht es ja dieses eine Mal gut.

Das Auszählen in meinem Bezirk war super angenehm. Zwar auch einige Stimmen für die Neo-Braunen, aber insgesamt fielen die Stimmen sehr links und grün aus, was meinen eigenen politischen Ansichten sehr entspricht. Ich freute mich demnach über die dicken Stapel bei rot, rot und grün und verdrängte das Geräusch, das mein Handy um kurz nach 18 Uhr machte, das auf eine Spiegel Online Eilmeldung mit den ersten Prognosen hindeutete. Die beste Nachricht des gestrigen Abends war für mich die Ansage der SPD, in der Opposition bleiben zu wollen.

Und heute kam dann das: Was nun? Was tun wir jetzt? Was tue ich jetzt?

Ich war niemals eine besonders politische Person. Zwar immer mit Meinung, und die tat ich auch immer gerne kund, und ich engagierte mich auch in der Fachschaft meiner Uni, doch das blieb immer innerhalb der unparteiischen, fachinternen Uni-Politik. Und zwar engagierte ich mich jetzt auch zum dritten Mal als Wahlhelferin (in einem Artikel wurden wir gestern als das Rückgrat der Bundestagswahl bezeichnet, wir waren uns einig dass wir lieber als Organ bezeichnet worden wären, die Vorschläge reichten von Herz und Lunge bis zu Haut und Dickdarm), aber ich bin auch noch nie demonstrieren gegangen.

Aber jetzt sitzen auch in Deutschland die Rechtspopulisten im Parlament. Wie bereits in vielen europäischen Ländern. In Amerika regiert sogar einer. Und was mache ich jetzt? Weiter wie bisher?

Alles in mir sagt nein. Nein dazu, das einfach hinzunehmen. Nein dazu, weiter abzuwarten und als stille Beobachterin zu agieren. Nein zu dieser beschissenen Ignoranz gegenüber den Problemen, die die Bürger, die anscheinend gerade die Aber-nein-wir-sind-doch-gar-keine-Nazis(-ich-stecke-mir-mal-eine-Kornblume-an-den-Anzug) gewählt haben, seit Jahren plagt. Das kann doch nicht sein, dass ein signifikanter Teil unseres Landes mit Siebenmeilenstiefeln in die rechte Ecke marschiert. Es kann doch nicht sein, dass das das politische Klima ist, in dem wir unsere Kinder und Jugendlichen großziehen.

Nun blicken wir auf vier weitere Jahre Merkel. Bis zum Ende dieser Zeit wird es Jugendliche geben, die an Regionalwahlen teilnehmen dürfen und niemals in einem Deutschland ohne Merkel als Kanzlerin gelebt haben. Das ist verdammt lange. Davon abgesehen, dass sich die gute Frau ihre Pension dann redlich verdient haben wird und ich mir nicht vorstellen kann, dass sie dann noch einmal antritt, möchte ich bei der nächsten Wahl keine_n christdemokratische_n Kanzler_in mehr. Auch, wenn sie ihren Job OK gemacht hat, muss ein Wechsel her. Neue Perspektiven für die Unglücklichen.

Ich habe heute beantragt, dass die für mich interessanten Parteien mir Unterlagen für einen Parteieintritt schicken sollen. Ich habe mir die Seiten der regionalen Vertretungen angesehen. Kann sein, dass ich bald in eine Partei eintrete. Ich möchte in vier Jahren nicht wieder am Tag nach der Wahl so unzufrieden sein und dann feststellen, dass ich mich nicht daran beteiligt habe, irgendetwas in diesem Land besser zu machen.