Erinnert ihr euch, als wir alle über das Jahr 2016 schimpften? Ja, ich auch kaum noch, denn alles was wir damals erlebten kommt einem in der Retrospektive aus dem Jahr 2020 doch irgendwie relativ harmlos vor.
Ich sitze seit 2 Wochen wieder im Homeoffice und muss darauf erstmal klar kommen – obwohl ich damit eigentlich fest gerechnet habe. Wieder wissen wir nicht, wie lange wir zuhause bleiben werden. Wieder merke ich, die der reduzierte soziale Kontakt an meinen Nerven zehrt. Ich kann gut alleine sein und brauche auch meine Auszeiten von Menschen, aber ich liebe Teamarbeit, ich liebe die geschäftige Atmosphäre im Büro, ich mag die Gesellschaft meiner Kollegen, ich mag schnelle Absprachen, ich mag gemeinsam ad hoc Ideen zu entwickeln.
Die Bezeichnung Digital Native trifft zwar auf mich zu, und ich arbeite im Social Media Bereich, weil ich auf das Digitale große Stücke halte. Aber vielleicht weiß ich auch deswegen so genau, was das digitale Vernetzen niemals ersetzen kann.
Vor einigen Tagen wurde eine hitzige Diskussion auf Twitter geführt, weil ein Interview mit einer jungen Frau geteilt wurde, die Partys vermisst. Ob man das denn sagen dürfe, wenn es anderen viel schlechter geht, wenn Krieg herrscht, wenn Menschen sterben, ihre Jobs verlieren, Ehen zerbrechen. Am Ende schien man sich zu einigen: Na klar darf sie das. Es ist total menschlich, auch solche vermeintlichen Banalitäten zu vermissen. Und es gibt auch einfach nichts, was angemessen die physische Nähe zu anderen Menschen ersetzen kann.
Für mich ist die große sorgenbereitende Banalität das Weihnachtsfest. Und auch wenn die große Familienfeierwucht mich jedes Jahr auch etwas erschlägt, ich liebe Weihnachten, essen mit der Familie, gemeinsam dem Kapitalismus huldigen und den eigentlichen Anlass ignorieren. Es ist herrlich. Der Gedanke, dieses Jahr eventuell Zuhause bleiben zu müssen oder Teile der Familie nicht sehen zu können, ist extrem unangenehm.
Ich weiß, dass es mir eigentlich gut geht, und meiner Familie auch. Jeden Tag mache ich mir das bewusst. Auch wenn ich mich nicht beschweren kann – schön ist dieses Jahr nicht.
Der scheiß soziale Mensch, den das Virus so liebt. Mai Thi Nguyen-Kim wurde so schön von Merkel zitiert – wir sind eben ein knorke Wirt, weil wir uns gegenseitig so wichtig sind. Ist das nicht total süß eigentlich? Zwischen Krieg und Konflikten und Streits mag das Virus uns Menschen, weil wir uns so lieb haben, dass wir nicht voneinander lassen können.
Scheiße.