„Ich kann nicht schlafen… Was gibt’s denn so bei Tumblr… ?“

Wenn ich versuche, soziale Medien schlicht und einfach für Außenstehende zu erklären, dann sind Facebook, Instagram, und Twitter meist recht simpel und nachvollziehbar. Meistens klingt das so:
Facebook: Du vernetzt dich mit Freunden und Bekannten und entfernten Bekannten, um mit ihnen Inhalte zu teilen und deren Inhalte zu sehen.
Twitter: Du teilst öffentlich Nachrichten, die maximal 140 Zeichen lang sind. Jeder kann dir folgen und du kannst jedem folgen. Besonders interessant für mich wegen aktuellen Nachrichten und Promiklatsch. Kaum vernetzt mit Freunden.
Instagram: Hier teilt man Bilder. Pure Selbstdarstellung. Spannend vor allem wegen der Accounts von mehr oder weniger berühmten Menschen, und Bekannte, die auf Facebook wenig Bilder teilen, teilen oft mehr auf Instagram.
Und ja: Ich bin auf allen ziemlich aktiv.
Aber dann kommt ja noch Tumblr um die Ecke. Ist ja auch ein soziales Netzwerk, aber wofür eigentlich? (Wer weiß, wie was und wo und überhaupt Tumblr ist, darf gerne diesen und den nächsten Absatz überspringen.) Im Grunde besitzt dort jeder User einen Blog, der sogar mit individuellen Themes selbst gestaltet werden kann, anders als bei FB/Twitter/Instagram. Teilen kann man dort alles: ganze Texte, Zitate, Bilder, Chats, Links, Audiotitel, und Videos. Vernetzt bin ich dort sowohl mit Freunden und Bekannten, als auch mit mir unbekannten Leuten, die schöne Sachen posten oder rebloggen.
Und da kommt es nämlich zu einer Spezialität von Tumblr: EIGENE Inhalte teile ich äußerst selten bei Tumblr. Meistens verbringt man die Zeit damit, sich durch die Posts der Blogs zu scrollen, denen man folgt, und zu rebloggen, was einem gefällt. Rebloggen – also einfach das gleiche, was der andere auf seinem Blog hat, nochmal posten. Man kann natürlich noch eigene Kommentare oder Tags hinzufügen, muss man aber nicht. Und so ist mein Blog auf Tumblr eigentlich nichts weiter als mein persönliches „Best of Tumblr.“


Das wirkt, muss ich gestehen, irgendwie sinnlos, aber es macht sooo viel Spaß. Zum einen sind da die großartigen Bilder: wunderschöne Fotografien von Mensch, Natur, Wohnraum, Essen lassen einen träumen. Außerdem sind viele unglaublich witzige Ideen und Gedanken bei Tumblr unterwegs. Lustige Zusammenstellungen verschiedener Bilder oder Gifs aus verschiedenen Filmuniversen, merkwürdige bis absurde Gedankenspiele, die von anderen Nutzern auf die Spitze getrieben worden sind, Zitate der Hollywood-Elite – alles außerordentlich unterhaltsam.
Doch dann gibt es auch diese andere Seite an Tumblr, die mich ganz regelmäßig schwer erschüttert.
Tumblr hat nicht nur den Ruf, die schrägsten Ideen des Internets zu haben, sondern auch Auffangbecken für all jene zu sein, denen es nicht gut geht. Das reicht auf einer Skala von „niemand versteht mich“ über „ich leide unter Depressionen“ zu „ich bin akut selbstmordgefährdet“. Hauptsächlich handelt es sich dabei um Jugendliche oder junge Erwachsene. Man braucht nicht einmal aktiv nach solchen Leuten zu suchen: ich habe schon mehrmals begonnen, Blogs zu folgen, bei denen sich nach einiger Zeit herausstellte, dass deren Betreiber über psychischen Krankheiten leiden.
Um eines festzuhalten: ich finde es toll, dass es eine soziale Plattform gibt, die Leuten ermöglicht, ihre Stimme öffentlich zu machen, und vielleicht andere zu finden, denen es genauso geht, sich auszutauschen, sich zu helfen. Doch die Gefahr ist so groß, dass die Stimmen nicht rechtzeitig laut genug werden, und im Gewusel der witzigen Bilder verhallen. Regelmäßig finde ich beim scrollen Einträge, in denen Menschen schildern, wie schlecht es ihnen gerade geht, wie verzweifelt sie sind, und dass das Leben keinen Sinn mehr ergibt. Und ich sitze vor meinem Bildschirm, und weiß nicht was ich tun soll. Einige der Blogger, denen ich folge, bekommen tatsächlich professionelle Hilfe, das wird aus ihren Posts deutlich. Bei anderen weiß ich es nicht. Und mich lässt sowas nicht kalt – selbst wenn ich die Leute hinter den Blogs nicht kenne, so ist es doch verstörend zu lesen, wie jemand darüber philosophiert, wie viel einfacher es doch wäre, einfach aufzuhören zu leben.
Das Problem ist Tumblr bekannt. Daher gibt es eine Seite auf Tumblr auf der internationale Nummern für Counseling Hotlines gelistet sind, und wenn man nach Hashtags wie „suicide“ sucht, dann wirst du gefragt: „Everything okay?“ Leider gibt es inzwischen gängige Hashtags in dieser Szene, die erst einmal harmlos wirken, aber letztendlich auf die gleichen Inhalte weisen, wie es ein „suicide“-Hashtag tun würde.
Dass Tumblr in einem solchen Ausmaß ein Zufluchtsort für solche Gedanken ist, zeigt mir persönlich nur einmal mehr, dass psychische Krankheiten immer noch zu wenig Beachtung erfahren. Ich verstehe, dass jemand, dem es nicht gut geht, damit nicht hausieren geht. Deswegen nehme ich für mich daraus mit, dass es unglaublich wichtig ist, bei Freunden und Familie aufmerksam zu sein. Niemand ist immun gegen psychische Probleme, genauso wie keiner immun gegen einen Schnupfen ist. Shit happens – aber wenn, dann ist es wichtig, das da jemand ist, der für einen da ist. Und zwar im richtigen Leben, und nicht auf Tumblr.
Das Internet ist immer erstmal ein schöner Rückzugsort, aber ab einem gewissen Punkt sollten Menschen sich trauen können, sich im richtigen Leben jemandem anzuvertrauen. Irgendwann gibt es auch auf Tumblr nichts Neues mehr, das einem am Leben hält. Auch nicht die neuste Simpsons-Fantheorie.