SO PUR: fionas fickle fictions

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Ich habe heute eines der allerschönsten Komplimente bekommen. Mindestens in der Top 3.
„Du bist so pur.“

Und das bloß, weil ich meinem langjährigen Kumpel erzählte, dass ich beim Freundeskreis-Konzert im Stadtpark damals nicht in Ruhe tanzen, beziehungsweise zum Beat meine Hüften schwingen konnte, weil der Typ, mit dem ich da war, nicht aufhörte an meinem Arsch herumzugrinden und seine Hände auf meine Hüfte zu legen.

Würde das heute passieren würde er einen ziemlichen Einlauf von mir bekommen, aber mein 15- oder 16-jähriges Ich wusste noch nicht so recht mit Ihren Gedanken umzugehen und verstand noch nicht, dass dies nicht bloß aus feministischer Sicht, sondern auch aus der Sicht der allgemeinen Anstandsregeln ziemlich daneben von dem jungen Mann war. Ich habe niemals erfahren, ob er Interesse an irgendwas Ernsthaftem mit mir hatte. Wir haben immer mal geflirtet, getanzt, nach Partys nebeneinander den Rausch geschlafen, aber mehr war da nie. Ich weiß nicht, wieso. Er machte nie einen Schritt, ich aber auch nicht. Er war immer ein ganz besonderer Freund, weil ich ihm nah sein konnte ohne dass da mehr war. Vielleicht war das alles gut so, denn so erhielten wir über Jahre unsere Freundschaft. Manchmal bin ich aber schon neugierig. Wäre ich nochmal Teenager, ich wäre viel schlauer jetzt! Zusätzlich weiß ich seitdem, dass ich Partys und Konzerte nicht besuche, um Kerle aufzureißen. Ich bin auf solchen Veranstaltungen nur für mich. Ich will singen, weinen, tanzen, the time of my life haben, aber wer da am Ende des Tages neben mir steht ist mir oft relativ Wurst. Konzerte sind auch alleine schön.

Jedenfalls bescherte mir dieses verkorkste Freundeskreis-Konzert heute dieses Kompliment. Es ist vielleicht nicht das offensichtlichste. Mir wurde schon gesagt ich hätte schöne Augen. Schöne Schuhe. Ein tolles T-Shirt. Ein Talent für Eyeliner. Ein schönes Lächeln. Natürlich habe ich mich über alles gefreut. Aber es hat wirklich nichts so eingeschlagen wie „Du bist so pur“.

Der geneigte Leser (hahahaha, liebes Tagebuch, du merkst, ich bin ein komödiantisches Talent), mag sich nun wundern, was daran ein Kompliment sein soll. Immerhin ist es nicht das, was Männer Frauen klassischerweise sagen. Allerdings ist es hier so, dass ich „pur-sein“ als absolut erstrebenswert betrachte. Es bedeutet nämlich, dass ich trotz Make-Up und dickem Eyeliner nicht verstecke, wer ich bin. Es bedeutet, dass mich all das Leid dieser Welt noch nicht unterkriegen konnte. Es bedeutet auch, dass mich all meine Erfahrungen nicht verbogen, sondern geformt haben. In einen Menschen, der trotz all den Formalitäten und Anstandsformen und Erwartungen sein Herz auf der Zunge trägt.

Das ist ein schöner Gedanke. Ob er hundertprozentig wahr ist, weiß ich nicht. Aber es wäre schön, wenn ich wirklich pur wäre.

Pur.

Was heißt das eigentlich?

Gerade mal gegooglet. War nicht so erfolgreich, Google wollte mir Tickets für PUR verkaufen. Ich schauderte ein bisschen.

(Also, bei „pur definition“ leitet mich Google immerhin zu Duden.de und sagt mir, dass es „rein, unverfälscht“ bedeutet. Das ist doch ein großartiges Lebensziel, oder? Rein und unverfälscht zu bleiben. Das lässt Raum für Veränderungen ohne dass man die Essenz aus den Augen verliert. Ein schöner Gedanke. Ich frage mich, ob der nur so schön klingt, weil ich zwei Caipis und einen (oder waren es zwei? Hmmm…) Mexikaner getrunken habe.)


Throwback Thursday! Ich habe diesen Text gestern wiedergefunden, war irgendwo in der Cloud versteckt. Es ist ewig her, dass ich ihn geschrieben habe. Viel wahres drin, nur mit ein bisschen fiktionaler Politur. Aber ich mag ihn, also möchte ich ihn nicht dem Internet vorenthalten.