WoB 1: Der akademische Endgegner

Das sind wir also, Week of Blog Teil 1. Ja, es war still hier. Ja, es war auch einfach viel zu heiß, um irgendwie kreative Energie freisetzen zu können. Aber mein größtes Hindernis waren 60 leere Seiten, die es zu füllen galt, um mir den akademischen Grad „Master of Arts“ zu verschaffen.

3 Jahre habe ich für das Masterstudium gebraucht. Aus den regelstudienzeitmäßig vorgegebenen 2 wurden ziemlich schnell 2,5 – und dann, weil meine Psyche streikte und mein Privatleben Purzelbäume schlug, wurden es drei. Im Oktober 2015 begann der Kampf gegen meinen akademischen Endgegner (ich war damals bereits fairly sure, dass ich keinen Doktortitel anstrebe).

Fairerweise muss ich zwei Dinge zugeben. Erstens habe ich tatsächlich viel gelernt, fachlich, über mich, über meine Arbeitsweise und über Menschen, obwohl ich die ganze Zeit über mich, die Leute und die Uni fluchte. Zweitens habe ich, auch wenn ich oft das Gefühl hatte mich mit mittelmäßigem Aufwand durchzumogeln, wirklich gute Leistungen aufgerufen, auf die ich teilweise sogar ganz stolz bin. Der ein oder andere Essay oder Hausarbeit ist dabei, die mir echt gefallen haben.

Ich will daher versuchen, meine letzten drei Jahre an der Leuphana Universität Lüneburg nicht bloß als psychisch abfuckende und verlorene Zeit zu sehen. Aber das ist nicht einfach. Derzeit ist es noch so, dass ich zurück blicke und hauptsächlich sehe, was ich hätte besser machen können. Dann denke ich, wenn ich mich zusammengerissen hätte, hätte ich mehr mitnehmen können, hätte ich meine letzten Studierendenjahre vielleicht auch genießen können.

Mein absolut legendär tiefstes mentales Tief habe ich nach viel auf und ab im letzten Dezember erreicht, und ich mache nach wie vor mein schwieriges Verhältnis mit dem auf Zensuren und Leistungspunkten basierenden System der Uni zu einem großen Teil verantwortlich dafür. So, wie das Studium der Kulturwissenschaften im Master an der Leuphana derzeit funktioniert, verleitet es Studierende dazu, sich in To-do-Listen und Deadlines zu verlieren, die absolut außer Acht lassen, dass ganz besonders dieses Fach viel Freiraum benötigt, damit sich Studierende ihren Interessen nach bilden können und akademisch wertvolle Projekte zu verfolgen. Eine Hausarbeit, die innerhalb von drei Wochen geschrieben werden muss, weil das nun einmal die Zeit ist, die neben allem anderen dafür übrig bleibt, macht weder Studierenden noch Lehrenden eine Freude.

Ich habe meinem Groll mit der Uni häufiger auf diesem Blog Luft gemacht. Zum Beispiel in meinen Texten Semester Nummer 11 und Philosophieseminar. Die Institution Universität, so wie sie aktuell im Bachelor- und Mastersystem in Deutschland gelebt wird, ist in meinen Augen absolut kaputt. Junge Menschen kommen aus der Schule an die Uni, weil man das so macht. An der Schule schon lernen sie nicht mehr zu lernen, rufen Leistungen ab für Zensuren und Punkte, vervollständigen ihre Liste an Pflichtkursen und rechnen pro Semester ihren Schnitt aus, und wie ihre weiteren Noten werden müssen um ihren angestebten Notenschnitt zu erreichen.

Die Studierenden, die aus der Freude am Wissen lernen, fallen auf. Sie stechen in Seminaren hervor, weil sie ein paar der wenigen sind, die nicht nur für die Klausur gelernt haben, sondern es schaffen vergangene Inhalte sinnvoll zu verknüpfen und Zusammenhänge zu erkennen. Wie traurig ist es denn, dass das die Ausnahmen sind?

Ich gehörte da auch nicht zu, aus schierer Überforderung. Ich habe es nicht geschafft, die Lektüre zu bewältigen, weil ich den Fokus darauf legen musste, das zu bearbeiten was ich für die anschließende Leistungsüberprüfung brauchte. Die Momente, in denen ich mich freute, weil ich Verbindungen erkannte oder mir eine Autorin einfiel, die zu einem Thema passte, machten mich richtig stolz. Ein Beweis, dass das keineswegs zu meinem Uni-Alltag dazugehörte.

Mein Studiengang ist so dermaßen durchmodularisiert gewesen, dass ich viele Kurse aus dem einzigen Grund belegte, dass ich das Modul fertig bekommen musste und dies der einzig angebotene Kurs dazu war. Ein Semester oder ein Jahr auf eine Alternative zu warten, kam dabei für mich nicht infrage: Ich hatte bereits einen 20-Stunden-Werkstudentenjob und einen Studienkredit, um mein Leben bezahlen zu können – jedes Semester mehr bedeutete für mich mehr Schulden. Davon abgesehen studierte ich ja bereits seit 2011 und fühlte, dass es auch langsam Zeit wurde mit dem Studi-Leben abzuschließen.

Manche Kommilitonen, die mit mir ihr Studium begonnen hatten, haben nun zu einem ähnlichen Zeitpunkt wie ich die Arbeit an ihrer Abschlussarbeit begonnen und haben insgesamt ähnlich lange für ihr Studium gebraucht, wie ich. Manche zogen sogar die Regelstudienzeit durch – ein Kraftakt, von dem ich nicht weiß, wie das zu bewältigen ist. Viele haben auch beschlossen (vielleicht aus Resignation, vielleicht auch weil sie sich nicht die Studienzeit durch die Verschulung der Uni zerstören lassen wollen), dass sie sich mehr Zeit geben, und schließen gerade erst die letzten Kurse ab.

Mein Gesamturteil über mein Studium auf Institutsseite also: arg durchwachsen. Wie schaffe ich es also, den letzten 3 Jahren etwas positives abzugewinnen?

Zum einen habe ich mir ein Thema für meine Masterarbeit ausgesucht, dass ich wirklich spannend fand und auch nach Abgabe der Arbeit weiter verfolge. Ich habe da viele Theman vermischt, die ich in den letzten Jahren spannend fand (wie akademisch das am Ende ist, who knows), und habe trotz Krisen und verlorener Nerven inhaltlich viel gelernt durch meine Arbeit. Auch über mich habe ich viel gelernt. Wie ich zum Beispiel erkennen kann, dass das was ich tue nicht das ist, was ich eigentlich tun will. Im akademischen Kontext, wie er derzeit ist, und so wie ich derzeit bin, bin ich nicht glücklich.

Zum anderen war die Zeit, die ich während des Studiums für mich und meine persönliche Entwicklung hatte, so wichtig für mich, dass ich glaube ohne diese Zeit nicht nur eine ganz andere Person zu sein, sondern auch eine die mir vielleicht weniger gefallen hätte. Ich hatte viel Zeit mich mit mir zu befassen, was ich im Leben will, wo meine Prioritäten liegen, was mir wichtig ist, was mir gut tun, was mir schadet. Ich hatte viel Zeit, mein Serienwissen zu erweitern. Ich hatte die Möglichkeit, mich mit meinen Jobs beruflich weiterzubilden und bin jetzt in der wunderbaren Position einen nahtlosen Übergang zwischen Uni und Berufsleben zu haben. Optimal für eine Frau, die kein Geld hat um sich eine Auszeit fürs Reisen zu nehmen und obendrein einen Haufen Studenkreditschulden abbezahlen muss.

Und dann muss ich zugeben, dass ich nun, nach Abgabe der Arbeit und kurz vor Beginn meines Berufslebens, insgesamt doch recht zufrieden bin mit allem, wie es so ist. Hier und da gibt es natürlich Dinge, über die ich mir weiterhin den Kopf zerbreche (wie ihr in den nächsten Tagen lesen könnt), aber die Aussicht stimmt. Ich bin glücklich, dass meine Masterarbeit abgegeben ist, die mir die letzten Monate meines Lebens schwer gemacht hat. Ich bin überglücklich, dass ich in einer neuen, schönen, hellen, großen, bezahlbaren Wohnung lebe. Und das Glück schießt ins Unendliche (wer keinen Kitsch erträgt bitte einfach im nächsten Absatz weiterlesen), weil ich so einen tollen Mann an meiner Seite habe, der mich in meiner Verrücktheit nicht nur aushält und an allen Ecken und Enden unterstützt.

Nun: Habe ich ihn besiegt, meinen akademischen Endgegner? Weiß ich noch nicht, die Bewertung meiner Masterarbeit steht noch aus, ebenso wie die dazugehörige mündliche Prüfung. Ich würde aber sagen: meine Chancen stehen gut. Und wenn ich am Ende die Urkunde für das abgeschlossene Studium in der Hand habe, dann trinke ich eine Flasche Champagner auf Ex, oder so.