WoB 5: Eine Frage der Struktur

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Wenn man mich fragen würde, wie mein Alltag aussieht, würde ich antworten: Ich hatte in den letzten 7 Jahren keinen Alltag. Im engsten Sinne des Wortes wäre das vielleicht gelogen, aber es fühlt sich so an.

Ja, vielleicht bestand mein Alltag aus Seminaren, Hausarbeiten und Arbeit. Und für die 3 Monate der Vorlesungszeit hatte ich mich Seminaren und Arbeit auch mehr oder weniger regelmäßige Termine, die mir den Tag strukturierten. Allerdings waren das auch immer lediglich 3 Monate am Stück. Die dann auch noch jeden Tag anders aussahen – verschiedene Uhrzeiten der Seminare, mal mit mehr Arbeit mal mit weniger, mal mehr Referate mal weniger…

Der Grund weshalb ich sagen würde, dass ich keinen Alltag hatte, ist, dass mir die Regelmäßigkeit und eine langfristige Struktur fehlte. In drei Monaten mit Flexible-Arbeitszeiten-Kellnerjob etabliert sich kein regelmäßiger Alltag bei mir. In der vorlesungsfreien Zeit, in der ich meine Zeit selbst um den Job herum strukturieren musste, war es noch viel schlimmer. Auch später im Masterstudium mit Werkstudentenjob (also 20 Stunden Job in der Woche) bekam ich keine Struktur in meinen Alltag. Ich hatte keinen festen Ablauf nach dem ich meinen Tag strukturieren kann, ich habe keine wöchentlich stattfindenden Termine geplant, weil sich alles von einer auf die andere Woche ändern konnte, und ich hatte keine festen Aufsteh- und Bettzeiten.

Ab-so-lu-tes Chaos. Und das, obwohl ich mich so einschätze, dass mir feste Abläufe und Regelmäßigkeiten sehr viel helfen. Ich denke so viel viel viel nach, und jeden Tag über meinen Tag nachdenken zu müssen hat mir viel Energie geraubt in den letzten Jahren. Ich hatte nicht mal eine kleine feine Morgenroutine, die mir hilft morgens aus dem Bett zu kommen. Dabei hatte ich das in meiner Schulzeit immer! Duschen, Anziehen, Frühstücken und lesen, Zähneputzen, Schminken – und GO!

Das tat gut. Das entlastete mich. Ich mag Routinen. Ich bin nur so faszinierend schlecht darin, alleine welche zu etablieren. Ich bringe es nicht fertig mir in meinem Leben Strukturen zu schaffen, an die ich mich halten kann. Das gelingt mir sehr gut bei der Arbeit, aber gar nicht in meinem Leben. Irgendwie aufstehen, irgendwie irgendwohin, irgendwas essen, irgendwie abends ins Bett, and repeat. Und jeden Morgen neu darüber nachdenken, womit ich anfange.

Ah! Irre macht mich das. Literally. Es klingt alles so mimimi, sei doch froh, dass du so ein tolles flexibles Leben hattest die letzten Jahre. Aber nein, das wäre toll wenn ich ein Mensch wäre der aus dieser Freiheit das Maximum herausholen kann – aber es hat sich in dieser Langzeitstudie gezeigt, dass Fiona das echt nicht gut kann.

Im Moment freue ich mich darauf, mit Start meines ersten richtigen Jobs einen strukturierten Tagesablauf zu haben. Immer zur gleichen Zeit aufstehen, Mittag essen, arbeiten, Wochenende haben – was für andere nach Albtraum klingt, ist für mich derzeit ein geradezu göttliches Szenario. Ich freue mich auf die Struktur, die mir mein neuer Lebensabschnitt geben wird. Bin richtig aufgeregt und hab schon voll viele Pläne, ähnlich wie Neujahrsvorsätze nur dass es mitten im Jahr ist.

Ich möchte wieder eine morgendliche Routine haben, Essen vorplanen, zum Sport gehen, Abends lesen… Alles Dinge, die ich früher geschafft habe und die im Laufe des Studiums dem totalen Chaos geopfert wurden. Ich erhoffe mir davon, einen Alltag zu haben über den ich nicht weiter nachdenken muss, mehr gedankliche Kapazitäten frei zu haben, wieder kreativer sein zu können und Verabredungen und besondere Anlässe wieder mehr genießen zu können. Wie ich mich kenne werde ich euch dazu hier auf dem Laufenden halten. Hihi. 🙂