WoB 3: Wellig an den Rändern

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Frei nach Philip Ardagh ist das, wie ich meinen Körper derzeit beschreiben würde. Anders als Eddie Dickens Eltern bin ich zwar glücklicherweise nicht gelb und rieche auch nicht nach alten Wärmflaschen – aber doch fühle mich mich ausgesprochen unförmig derzeit.

Neulich habe ich mich, nach monatelanger Abstinenz, mal wieder auf eine Waage gestellt. Mein erster Impuls war es zu lachen, während mich von da unten eine bisher unbekannt hohe Zahl anbrüllte. Da ist es also: mein bisheriges Gewichtshoch. Da ich einmal mein Gewicht bei Facebook postete, weil es eine witzige Zahl war, weiß ich ziemlich genau: ich habe in 5 Jahren 12 Kilo zugelegt.

Spaßfakt: ich habe mich damals schon zu schwer gefühlt. Heute guck ich mir Fotos aus der Zeit an und frage mich, wer das dünne Mädchen ist. Mir war bewusst, dass ich zunahm, in der gesamten Zeit – nur vor der großen Zahl habe ich mich dann doch erschrocken.

Es ist merkwürdig für mich, Arme zu haben, die nicht in jedes Kleidungsstück passen, und Oberschenkel die ich in manche Hosen nicht mehr reinbekomme. Als Mädchen und Jugendliche war ich eigentlich immer dünn bis zu dünn. Gewicht war kein Thema, Essen war kein Thema, und als Teenie freute ich mich über jedes Kilo, dass mich etwas weiblicher aussehen ließ. In meinem Kopf bin ich manchmal immer noch so schmal und vor allem sportlich. Mein Keuchen nach dem Treppensteigen ist verwirrend und der Speck am Bauch irgendwie lustig, weil er so fremd aussieht.

Ich habe langsam zugenommen. Vielleicht im letzten Jahr etwas mehr etwas schneller dadurch, dass ich im Stress viel Mist gegessen habe, aber ansonsten kamen die Kilos so nach und nach. Deswegen frage ich mich, weshalb ich mich an die welligen Ränder im Spiegel noch nicht gewöhnt habe.

Mein Wohlfühlgewicht ist das nicht unbedingt. Mich nerven die 8 Kilo, die ich gerne weniger hätte und die ich nun die ganze Zeit mit mir herumtragen muss. Allerdings bin ich auch so gar nicht an dem Punkt, eine Radikaldiät einzuschlagen oder meine Ernährung umzustellen. Ja, weniger Eis, mehr Gemüse, macht Sinn, aber ich hab auch wirklich keine Lust, Schokolade aus meinem Leben zu streichen. Ich wäre generell gerne fitter, also wäre Sport die Strategie meiner Wahl – aber dazu muss ich mir erstmal sagen lassen, wann mein umgeknicktes Fußgelenk wieder richtig am Start ist, upsi.

Also, ich bin nun nicht mehr dünn, aber echt dick finde ich mich auch nicht. Ich hab halt nicht mehr Größe 38 sondern mehr so 42, und das ist ja auch eigentlich auch noch echt OK. Und warum fühlt es sich dann so schlimm an?

Ich weiß es nicht. Was ich weiß ich, dass ich nicht schnell abnehmen werde, dafür besteht weder eine Notwendigkeit noch habe ich dazu genügend Disziplin. Und ich weiß, dass ich in der Zwischenzeit mal lernen muss, meinen Körper lieb zu haben. Denn das Leben ist mir auch zu kurz, die ganze Zeit unglücklich und unzufrieden herumzulaufen. Was tun also?

Ich hab mich da auf ein wunderbares Feature von Social Media gestürzt: nämlich, dass man nur das sehen muss, was man sehen will. Ich bin dementsprechend ein paar Accounts bei Instagram entfolgt, die von sehr schlanken Frauen betrieben werden, und bin ein paar Profilen gefolgt von Frauen, die mit ihren Bildern ein größeres Spektrum an Körperformen abbilden. Das tolle ist ja, dass die alle wunderschön sind. Egal ob Größe 34 oder 50. Denn deren Geheimnis ist, dass sie sich wohlfühlen so wie sie sind. Sich wohlfühlen ist das beste Schönheitsrezept. Jetzt, mit mehr Körpervarianten auf meiner liebsten sozialen Medienplattform, fällt es mir schon etwas leichter, mich so zu akzeptieren wie ich bin. Bei echter Liebe bin ich noch nicht, dazu ist mir mein Körper generell gerade etwas zu gebrechlich und langsam. Aber wenn er das irgendwann mal nicht mehr ist und dann vielleicht auch das ein oder andere Kilo wieder weggepurzelt ist, dann kann das was werden.

Fern von Kleidergröße 38 wird mir das erste Mal so richtig klar, welche Rolle die Repräsentanz verschiedener Körperformen in den Medien spielt. Wenn ich nur schlanke Frauen sehe, während ich durch Social Media scrolle, dann verstärkt es mein Gefühl, nicht normal zu sein. Mein Körper ist falsch, ungesund, unfit, undso. Und abartigerweise fördert das eine regelrechte Abneigung gegen diese Frauen. Obwohl sie sicher für diese Körper arbeiten und sie dementsprechend verdienen, sie wunderschön sind, und ich solche unbegründeten Abneigungen gegen andere Frauen nur aufgrund ihres Äußeren wirklich nicht haben will. Das ist von oben bis unten so dermaßen inkorrekt, dass ich mich selbst nur noch blöder finde.

Eine größere Vielfalt zu sehen zeigt mir wieder mehr, wie schön alle Körper sein können. Egal wie groß und klein und wellig oder glatt. Ich muss mal schauen wo das so hingeht, glaube aber meine Richtung ist ganz gut. Wenn mein Fußi wieder mitspielt bewege ich mich wieder mehr und das tut dann sogar nicht nur meinem Körper sondern auch meiner Psyche gut. Herrlich eigentlich. Aber ey, eins weiß ich genau. Eine scheiß Waage kommt mit nicht mehr ins Haus.