Augenringe sind keine Schönheitsmängel, die zügig überschminkt werden sollten. Sie sind nicht bloß Kennzeichen deiner Unfähigkeit dein Leben vernünftig zu planen, Stress zu vermeiden, genügend zu schlafen. Augenringe sind wundervolle Geschichtenerzähler.
Augenringe erscheinen in allen Formen und Farben. Mal rötlich, mal bläulich, mal in einem kräftigen Violett; vielleicht sind sogar Gelb- und Grüntöne dabei… deine Augenringe zeigen sich in allen Farben des Regenbogens. Manchmal sind sie außerdem nur kleine Pünktchen unter deinen Augen, aber sie können auch die gesamte Fläche zwischen Auge, Wange und Nase einnehmen. Wenn du älter wirst, dann werfen sie Fältchen, oder kleine Säcke.
Aber ganz ehrlich: das ist doch ganz großartig.
Augenringe erzählen von großartigen Parties. Die ganze Nacht getanzt, mit Freunden zu den Hits der 90er gesungen, mindestens zwanzig schwere Lachanfälle bekommen, den Sonnenaufgang angeblinzelt, einen außergewöhnlichen Menschen getroffen – deine Augenringe werden am nächsten Tag der gesamten Welt diese Geschichte erzählen. Denn ohne die Augenringe würde das kleine Lächeln auf deinen Lippen gar keinen Sinn ergeben (wieso lächelt diese Frau so merkwürdig vor sich hin?), aber mit ihnen zeigt dein Gesicht allen, wie wunderbar die letzten 24 Stunden waren.
Augenringe erzählen von harter Arbeit. Der Job ist zeit- und nervenraubend. Die Überstunden… Ja, wer weiß, wie viele es wirklich sind. Das bisschen Schlaf, was da noch drin ist, ist auch nicht wirklich erholsam. Aber wenn du dann wieder frühmorgens mit deiner Laptoptasche und deiner Krawatte in der U-Bahn stehst, und es unter deinen Augen dunkelblau leuchtet, dann zeigst du der Welt, dass du gerade an einem bahnbrechenden Projekt arbeitest.
Augenringe erzählen von schlaflosen Nächten. Sorgen, Gedanken, Grübeleien, Einfälle – irgendetwas ließ dich nicht schlafen. Viele von uns haben viele Sorgen. Mal mehr, mal weniger schwerwiegend, aber alle gleichermaßen schlafraubend. Augenringe erzählen von Reiseangst, von nächtlichen Ideen für die Abschlussprüfung, von nächtlicher Angst vor der Abschlussprüfung, vom Ärger seit Wochen nicht mehr gebloggt zu haben, vom Zweifel an den eigenen Fähigkeiten, von der endlosen to-do-list die einem mitten in der Nacht in den Kopf schießt. Eigentlich wären wir alle diese Sorgen gern los, aber um ehrlich zu sein, dann wäre es doch langweilig. Das meiste lernen wir aus den holprigen Phasen im Leben. Wären wir immer glücklich und ausgeschlafen, dann wäre dies der ultimative Stillstand. Wir hätten keinerlei Grund uns weiter zu entwickeln. Wenn du Augenringe hast, dann zeigt das, dass in deinem Leben etwas passiert. Und das ist gut. Immer. Deine Augenringe erzählen, dass deine Geschichte noch nicht zu Ende ist.
Wir sollten stolz auf unsere Augenringe sein, weil sie den Menschen eine bessere Geschichte von unserem Leben erzählen, als jedes Social-Media-Profil. Vor allem aber: eine ehrlichere.
„Dwayne: I wish I could just sleep until I was eighteen and skip all this crap-high school and everything-just skip it.
Frank: Do you know who Marcel Proust is?
Dwayne: He’s the guy you teach.
Frank: Yeah. French writer. Total loser. Never had a real job. Unrequited love affairs. Gay. Spent 20 years writing a book almost no one reads. But he’s also probably the greatest writer since Shakespeare. Anyway, he uh… he gets down to the end of his life, and he looks back and decides that all those years he suffered, Those were the best years of his life, ‚cause they made him who he was. All those years he was happy? You know, total waste. Didn’t learn a thing. So, if you sleep until you’re 18… Ah, think of the suffering you’re gonna miss. I mean high school? High school-those are your prime suffering years. You don’t get better suffering than that.“
— Little Miss Sunshine